Michael & Edgar Ende
"Der Spiegel im Spiegel"
Die Beziehung zwischen Edgar Ende und seinem Sohn, dem Schriftsteller Michael Ende, ist eine sehr lange und spannende Geschichte. Sowohl auf menschlicher wie auch auf künstlerischer Ebene. Michael Ende hat sein Buch "Spiegel im Spiegel"- eine Sammlung von labyrinthischen Geschichten, die auf sehr geheimnisvolle Weise ineinander verzahnt sind - seinem Vater gewidmet und darin literarisch umgesetzt, was Edgar Ende künstlerisch in Bildern realisiert hat.
Die Kunst seines Vaters war für Michael Ende der Ausgangspunkt zum eigenen poetischen Konzept. Edgar und Michael Ende sind zwei Ausnahmeerscheinungen, die nur gemeinsam wirklich begriffen werden können. Das Phänomen eines Spiegels, der sich in einem Spiegel spiegelt, könnte als Metapher zum Verständnis der beiden Künstler dienen. Michael Ende hat bereits als Kind die Arbeit des Vaters verschriftlicht. Er hat nicht wie in einer Nacherzählung den Inhalt des Bildes beschrieben, sondern er hat versucht, das Kunstwerk seines Vaters in seinen Worten darzustellen und dadurch selbst etwas zu erschaffen. Edgar Ende wurde wiederum durch die Arbeit seines Sohnes angeregt. Die beiden waren wie zwei Seiten einer Münze, über den jeweils einen, kann man den anderen verstehen lernen.
Der Spiegel im Spiegel ist ein Höhepunkt der gegenseitigen Inspiration. Michael Endes Erzählungen erzeugen starke Bilderwelten, die teilweise durch den Vater inspiriert in den Gemälden des Vaters verankert sind und deren Bildkraft sich in den Zeilen Michael Ende niedersetzt.
"Das Bild vollendet der Betrachter - Die Geschichte wird erst im Leser vollendet"
Edgar Endes Kunstwelt ist nicht auf Anhieb zugänglich, seine Zeichnungen und Gemälde erschließen dem Betrachter nicht ohne Weiteres ihren Sinn. Endes Bilder setzen den Anspruch im Betrachter voraus, bereit zu sein, sich auf einen Dialog mit ihnen einzulassen; denn nur im Dialog der Assoziationen sind sie zu entschlüsseln. Gleiches gilt für die Geschichten von Michael Ende, der von seinem Leser - ebenso wie der Vater von seinem Betrachter - erwartet, die Geschichte bzw. das Bild nicht als fertiges Produkt, als Selbsterklärung des Künstlers wahrzunehmen. Vater wie Sohn gehen davon aus, dass Kunst erst im Erlebnis des Kunstwerkes durch den Betrachter oder den Leser entsteht. Der Leser oder der Betrachter wird in den Schaffensprozess mit aufgenommen, er ist ein Teil davon. Keine leichte Aufgabe, denn es gilt, sich die durch den Künstler „vorgestellte“ Welt im eigenen Bewusstsein „vorzustellen“ bzw. lebendig werden zu lassen. Ein schöpferischer Prozess, durch den das durch den Künstler geschaffene Werk erst zum Kunstwerk wird.